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Nachruf auf Gernot Roll (9.4.1939 – 12.11.2020)

Mo., 16. Nov. 2020

von Jan S. Kaiser

Als ich 2002 als Gesamtherstellungsleiter zur Bavaria Film kam, hatte Gernot Roll gerade den Grimme-Preis für „Die Manns – ein Jahrhundertroman“ erhalten – und es war, wenn ich richtig gezählt habe, bereits sein sechster. Und doch waren die zahlreichen Auszeichnungen, die dieser Meister seines Faches im Laufe der Jahre erhalten hat, nie Anlass für Verklärung: nicht für seinem Beruf, den er als erlernbares „Handwerk“ betrachtete, und schon gar nicht für seine Person. Gernot Roll, der bei unzähligen Fernseh- und Kinoproduktionen die Kamera und bei nicht wenigen Filmen auch Regie geführt hat, machte nie viel Gewese um sich selbst. Er wusste sehr wohl um sein Können, aber er hielt es nicht für eine „Gnade Gottes“, wie er erst letztes Jahr, zur 100-Jahr-Feier der Bavaria Film, in einem Interview ausführte: „Ich hatte nie das Gefühl, ich mache da etwas ganz Geheimnisvolles, etwas, das andere nicht können.“

In Aussagen wie diesen spiegelt sich für mich wider, was Gernot Roll stets auszeich­nete und was ihn in unserer Branche so besonders machte: Er war Pragmatiker. Er hielt nie an Dingen fest, nur weil sie sich früher mal bewährt hatten. Schwarz-weiß oder Farbfilm, analog oder digital – für ihn waren das keine Glaubensfragen. Was zählte, war das Ergebnis, war die Qualität der filmischen Arbeit. Und dafür ließ er sich bereitwillig auf Neues ein. Ohne Vorurteile und vor allem ohne Angst.

Bestimmt hat seine „strukturierte Ausbildung“ (so seine Worte) in den fünfziger Jahren bei der DEFA in Babelsberg einen Grundstein gelegt für die Sicherheit, mit der er ans Werk ging. Als er 1960 in die Bundes­republik und kurz darauf zur Bavaria kam, verfügte er, anders als die meisten seiner Kollegen, über tiefe Kenntnisse der „Kinematografie“. Er war ein Film-Handwerker, der stets wusste, was er tat und warum er wie agierte, um diese oder jene Wirkung zu erzielen. Bild-Gestalter nannte er sich selbst, und in diesem Gestalten war er vielfältig wie kaum ein anderer.

Bei den Produktionen, bei denen ich eng mit ihm zusammen­arbeitete – „Speer und Er“ (2005), „Buddenbrooks“ (2007) und zuletzt „Brecht“ (2018) – habe ich besonders eines zu schätzen gelernt: Vertrauen. Seine gestalterische Sicherheit war ebenso ausgeprägt wie seine Sicherheit im Umgang mit den Menschen vor und hinter seiner Kamera. Auf Gernot konnte ich mich immer verlassen. Als Filmemacher sowieso und vor allem auch als Mensch.

Er wird mir fehlen.